Mittwoch, März 27, 2013

Das Fest – Eine Notwendigkeit

Musik, Bild, Wort sind das Material der Künste – und sind das Material der Feste.
Was sind Feste? Höhepunkte – Feste haben einen Anlaß.






















In der Antike waren Feste die Tage, die den Göttern geweiht waren.
Sie wurden mit Umzügen, Gesängen, Gebeten vor Altären gefeiert. 

In nach-antiken Zeiten verengte sich die Bedeutung auf fröhliche Fest-Feiern der Menschen. Bei Festen spielt Musik zu Tanz, Gesang oder Umzügen. Die Festplätze werden mit schmückenden Elementen, Farben, Fahnen, Garderoben verschönt. Es werden Festreden und gehobene Worte gebraucht.
Je passender diese Elemente zusammenwirken, desto gelungener wird das Fest empfunden. Das gelungene Fest als Gesamtkunstwerk.
Werden die Künste einzeln geboten, haben sie je ein Manko und einen Vorteil.
Die Musik kann tief ergreifen, ohne durch Worte oder Bilder erklärt werden zu können, Die bildenden Künste sind stumm, aber in ihren Gestalten kann der Mensch sich selbst und seine Welt sehen und oftmals bewundern. In der Dichtung erregt die gesteigerte Sprache und scheint Wahrheiten zu verkünden; tut es aber nicht. Deshalb heißt sie Dichtung.
Es kann so erscheinen, als hätten sich die Künste aus einer einstigen Einheit, in der sie zusammenwirkten, zunehmend verselbständigt.
Als die antiken Völker jung waren, merkten sie bei ihren ländlichen Festen, dass die höchste Wirkung der Festlichkeit durch die Vereinigung aller Kunstfertigkeiten zu erreichen war. Das Ziel ihrer Feste lag im Gunst-Gewinn der Götter. Die sollten sie in einer Welt voller Unglück beschützen.   Die Künste verwendeten die alten Völker als Sprache, die die Götter verstehen.
Die Götter zu feiern und mit diesen Feiern zu gefallen, hatten die Griechen ein besonderes Geschick.
Ein Festfeiertag für ATHENE, die mächtige Stadtgöttin, begann mit Tänzen und Gesängen der Jugend beiderlei Geschlechts auf dem Burgberg über der Stadt, der später zum PARTHENON  wurde. Am frühen nächsten Tag wurde eine Prozession zusammengestellt. Unter dem Spiel von Musikanten trugen Jungfrauen Opfergeräte voran. Es folgten die geschmückten Opfertiere, fette Rinder und Schafe.  Den Mittelpunkt des Zuges bildete ein auf einem Schiffskarren gezogener prachtvoller PEPLOS mit eingewebten  vielfarbigen Szenen, ein Schmuckmantel für die Göttin, den die Frauen Athens bis zum Festtag monatelang mit hoher Kunstfertigkeit gewoben hatten. Der kostbare Mantel wurde dem Bild der  Göttin umgelegt. 
Vor ihrem Altar wurden unter Gebeten die Tieropfer vorgenommen. Die besten Teile umwickelte man mit Fettstücken, deren fetter Rauch in die Nasen der Götter steigen und diese erfreuen und anlocken sollte. Das folgende gemeinsame Mahl der saftigen Opferstücke vereinte die Festgemeinschaft.
Bei Festen für DIONYSOS, den Gott des Weins und der Lebensfreude, begleitete Chor-Dichtung die Handlungen, bei denen der Chorführer 
einfache Inhalte über die Schicksale von den Heroen der Vergangenheit in wechselnden Versmaßen  vortrug. Der Chor antwortete ihm refrainartig.
Aus solchen Sprech- und Wechselgesängen entwickelte sich langsam die große griechische Tragödie.
Die Aufführung der Tragödie fand an hohen Festtagen statt. Das Kunstwerk mit seiner feierlichen  Formung war der Höhepunkt für das Fest und die Reinigung für die Seelen seiner Teilnehmer.  Denn wenn die Götter und das allmächtige undurchschaubare Schicksal den Helden der Handlung schlugen, und dieser, sich fügend, zugrunde ging, zitterte die Festgemeinde mit ihm und fühlte in ihm ihr eigenes Geschick. Strafe und unerklärlicher Zufall wurden mit dem Helden erlitten und erschöpften die Zuschauer bis zur Befreiung von ihren eigenen Wirren.             
Ein Fest als Therapie. Kunst als Heilung. Herstellung einer Gemeinschaft durch das gleiche Erlebnis der Existenz.
Andere Aufgaben fielen dem Fest im christlichen Mittelalter zu.
Eine Rittergesellschaft mit hohem männlichem Aggressionspotenzial hatte sich in einem feudalen hierarchischen Gesellschaftssystem gebildet.
Wettkampf in Turnieren, ungeachtet des tödlichen oder lebenden Ausgangs, Krieg im Zweikampf mit tödlichem Ende für den Schwächeren waren geachtete Lebensformen.  Jede männliche Begegnung drohte solche Kämpfe herauszufordern und die Elite des Adels zu dezimieren.
Der Fürst oder Feudalherr kannte das Mittel, die aggressive Übererregbarkeit seiner Männer zu dämpfen. Er musste ein Fest ausrichten.  Auf dem Fest herrschte Friedenspflicht; Waffen mussten abgelegt werden. Frauen, Sänger und Tänze förderten die Gemeinschaft und zivilisierten. Der Fürst konnte durch die Pracht eines Festes den Glanz seines Hauses stärken
Das Fest als zivilisatorische Aufgabe.  Der Unterschied zum antiken Fest ist gewaltig.
Aber die Auflösung von Spannungen und Überspanntheiten im Gemeinschaftserlebnis war auch hier das Ziel einer Festveranstaltung.
Und das moderne Fest?
Es zerfällt in zwei Generationsgruppen. Eine ältere Gruppe feiert ihre datierten Familienfeste mit mehr oder minderem Aufwand, mit Anforderungen an Kleidung und Benehmen, mit Nähe zu Repräsentation und Konventionen. Die jüngere Gruppe nimmt quasi zwangsverpflichtet teil.                          
Es stellt sich die Frage: wo liegt der  Fest-Charakter dieser Form des Feierns?   
Die jüngere Gruppe nennt ihre Feste Partys und erreicht, was dem antiken Fest in einigen Wirkungen nicht unähnlich ist. Dazu zählt die rauschhafte Steigerung im Gemeinschaftserlebnis, hervorgerufen durch Halluzinogene, Alkohol oder Liebe, angestachelt durch Musik, Rhythmus, Lichteffekte, Tanz.  Grenzüberschreitungen sind nicht unerwünscht, und doch gefürchtet.
In alten Zeiten passierte ähnliches bei den DIONYSOS-Festen, sodass schließlich um 150 v.Chr. der Römische Senat solche Feste bei Todesstrafe untersagte, weil im Festrausch Tötungen vorkamen.        
Gesucht und gefunden wird das rauschhafte sich Selbstvergessen. Die ungehemmte Lockerung aller Glieder bringt Entlastung für Seele und Körper. Das Fest als sich überschlagender Höhepunkt ist sein äußerster Charakter,  und sein Risiko. Der Wunsch dahinter ist das sich Vergessen in der Menschengemeinschaft. 
In der Gegenwart zeigen organisierte Einrichtungen - neben allen Marketing-Zielen - das moderne Fest-Bedürfnis in Gemeinschaft. 
Die städtischen Einfälle der langen „Kunstnacht“ verbinden alle Generationen in gemeinsamen Wegen, Verkehrsmitteln, Öffnungs-Angeboten von verschiedensten Kunstgenüssen. Sie werden gerne angenommen. Die gemeinsamen Wege bieten Freude, Übermut, Kennenlernen. Die Kunstgenüsse bieten allen Generationen bisher unbekannte Kreativitäten, die Konventionen verlassen. Das Besondere, das ein Fest auszeichnet, wird erreicht, weil man die Nacht als Raum benutzt, weil gesellschaftliche Unterschiede zurücktreten, weil Schönes in neuen unbekannten Formen erstaunt.     
Gemeinschaft und Schönheit scheinen das Fest auszumachen, wenn beide  verknüpft sind. Die Gemeinschaft wärmt. Die Schönheit erhebt zur herausgehobenen Situation.
Woher nehmen wir die Kenntnis, dass etwas schön ist? Wie unterschieden die frühen Völker etwas Schönes, das sie den Göttern bieten wollten, vom Alltäglichen? Hätte nicht auch ihr Alltägliches dafür gereicht, so wie wir heute vielleicht einen Seufzer ausstoßen in einer kritischen Situation?   - Woran messen wir das Schöne? 
Moderne Theorien denken, dass wir das Schöne an uns selbst messen und von uns selbst abbilden; dass wir das schön finden, was wir selber sind.
Das klingt sehr vernünftig. So haben die Griechen ihre Götter gemacht, nach ihrem eigenen Bild, - nur ein bißchen verstärkt.     
Es bleibt ein Rest. So glänzend schön, wie wir Schönheit empfinden können, finden wir uns nie.
Im Fest und in den Künsten wissen wir, wie wir sie schön machen können. Ein banal normales Fest wäre keins, bis wir es zu etwas Besonderem hergerichtet haben.  Die Künste können zwar ganz Alltägliches oder Hässliches zum Thema nehmen, aber jedes Kunstwerk dreht das durch Formgebung um in etwas, das uns reizt.
Das Schöne in gemeinschaftlicher besonderer Situation, das ist dem Fest und dem Kunstwerk eigen.
Aber es trennt sie auch etwas Gravierendes. Das Fest ist ein Höhepunkt im  Gleichschritt des Alltags, mit dem entsprechenden Verlauf von Aufstieg und Abfallen. Ein zu lang ausgedehntes Fest wird schal. Die Ernüchterung nach einem überzogenen Schluss ist unangenehmer als der wieder eintretende Alltag selbst. 
Diese Schalheit kennt die Kunst nicht, Sie ist widerstandsfähig gegen die Zeit. 3000 Jahre können ihrem Reiz nichts anhaben. Ein großes Konzert will kein Ende nehmen, solange die Zuhörer noch eine Chance für Zugaben wittern. In einem großen Buch vergeht die ganze Nacht, wenn die Augen nicht wider Willen nach der halben zufallen.
Warum wird das FEST mit überdehnter Dauer schal?
Es gibt manche Gründe; der Magen ist voll, der Kopf drückt, die Dekorationen sind in Unordnung, die Frische ist weg.
Auch das Wesentlichere im Fest, die Gemeinschafts-Freude kann ihre Frische verlieren und sich überschlagen. Wenn das Fest ein orgiastisches Miteinander erreicht und alle Freund werden, ist das schale Erwachen nicht weit.  Im Sommernachtstraum umarmt Titania den Eselskopf.
Das tägliche Leben trennt nach Neigung und Abneigung, und das bekommt.
Wenn sich im Fest fröhliche Gemeinschaft und schöne Gestaltung elegant mischen, erfüllt sich das Fest: es erfrischt.

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